Der „not my f*cking job“-Award

Heute verleihe ich zum ersten Mal den „not my fucking job“ Orden (den ich liebevoll NOMFJO nenne).

Und der NOMFJO geht aaaaaaaaan…….

Die Kardio-Mitarbeiterinnen, welche meine Patientin 1.5h haben sitzen lassen, weil ich sie aus Unkenntnis nach der telefonischen Anmeldung eines EKGs ins falsche Wartezimmer (Medizin statt Kardio) geschickt habe. Räumliche Differenz: Satte 15 Meter, am gleichen Gang, in Sichtweite. Die netten Damen haben es nicht für nötig befunden, bei mir rückzufragen, als die Patientin nach einer halben Stunde noch immer nicht direkt bei ihnen im Zimmer sass – was das Missverständnis natürlich aufgelöst hätte-, sondern gingen kommentarlos eine Stunde in die Mittagspause. Erfahren habe ich davon nur zufällig, weil sich die Patientin bei der nahem Überwachungsstation gemeldet hat mit der Frage, wann es denn nun weitergehe.

Herzliche Gratulation!

Ferien(aus)zeit

Die nächsten zwei Wochen bin ich in den Ferien – Sonne, Wärme, Meer 🙂 Neue blogposts gibts dann wieder, wenn ich zurück bin. Was Kleines zum Grinsen hab ich natürlich trotzdem noch:

Das Zitat der letzten Woche stammt von einem Amerikanischen Patienten. Wir sind in der Einleitung, ich hab ihn gerade an den Monitor angeschlossen und mache mich daran, den Zugang zu legen.

Patient: „What’s this beeping? Is that me?“ (Was ist dieses Piepsen? Bin das ich?)

Ich: „Yeah, that’s your heart rate.“ (Ja, das ist Ihr Puls)

Patient: „Huh, so I have a heart?“ (Also hab ich ein Herz?)

Ich: „I believe it’s safe to say you have a heart, yes.“ (Ja, Sie haben ein Herz.)

Patient: „Can you tell that to my ex wife? She said I’m heartless.“ (Können Sie das meiner Exfrau sagen? Sie hat gesagt ich sei herzlos.)

Peinliches Schweigen.

🙂

Schöne Zeit euch, und bis in zwei Wochen!

Alltag im Spital: Dienste

Wiedermal ein etwas genereller Post zu Abläufen und Einteilungen – wie immer bei dieser Kategorie hoffe ich, dass ihr euch damit etwas besser vorstellen könnt, wie mein Alltag aussieht.

Bei uns gibts zwei Arten von Dienst.

Der normale Dienst bedeutet, wir beginnen um 7 Uhr. Wir sind in einen Saal eingeteilt, in dem wir die Narkosen machen. Wenn dann nichts Neues mehr dazukommt und das Tagesgeschäft vorbei ist, gehen wir aus dem OP wieder raus und gehen auf die Stationen, um Patienten für Narkosen aufzuklären, welche geplant für den nächsten Tag eingetreten sind. Und wir besuchen natürlich die Patienten, bei denen wir Narkosen gemacht haben, um zu sehen, wie sie es überstanden haben. Irgendwann ist Abendrapport – optimalerweise, wenn der Chirurgierapport vorbei ist, weil die den OP-Plan jeweils gerne noch kmplett umkrempeln – und besprechen die Patienten, Narkosen und Einteilungen für den nächsten Tag. Häufig kommt auch noch die Frage: „Hat heute jemand etwas Besonderes erlebt? Oder einen interessanten Fehler gemacht?“ Dann kann man sich von der Seele reden, wenn was total schief gelaufen ist, oder ein bisschen angeben, wenn man etwas richtig gut gemacht hat. Ganz besonders interessante Fälle werden ausführlich diskutiert. Und einmal die Woche hält jemand einen kurzen Vortrag über irgendwas Anästhesierelevantes, das dann wiederum diskutiert und weitergedacht wird, wobei von der leitenden Ärztin gelegentlich der Hinweis „das wird an der Facharztprüfung gerne gefragt“ kommt. Irgendwann darf man nach Hause. So.

Dann gibts den „Aussendienst“, wie ich ihn liebevoll und hasserfüllt nenne. Man darf eine Woche lang erst um 8 Uhr zur Arbeit erscheinen, muss dafür aber am Samstag Morgen für 4 Stunden antraben. Von Narkosen darf man nur träumen; die Aufgaben umfassen Sprechstunde, Schmerzdienst und einfach alles, was so ansteht.

Man kommt also morgens um 8, meldet sich beim Kaderarzt und geht dann auf Schmerzrunde. Das heisst, man besucht alle Patienten im Spital, welche eine Schmerzpumpe (zum Beispiel mit Morphin drin) oder einen Schmerzkatheter (ein kleiner feiner Schlauch, der konstant oder auf Knopfdruck Schmerzmittel um Nerven herumspült) haben. Man schaut, wie die Schmerzen so sind, ob und wann man die Therapie mal aussetzen oder beenden möchte, ob der Patient sie gut verträgt und so weiter. Allein dafür rennt man in der ganzen Klinik rum, weil die sich gerne gleichmässig auf allen Stationen verteilen.

Sprechstunden gibts fixe, im Kalender eingetragene. Die kann man sehr gut an Kaderärzte abgeben, die das wohl nett abrechnen können. Dann muss man aber auch Patienten auf dem Notfall aufklären, welche dringend operiert werden müssen, oder solche, die Sprechstundentermine bei irgendwelchen Chirurgen im Haus haben und dort eine Operation verkauft bekommen, für welche es wiederum eine Narkose braucht. Und schliesslich gibts noch Patienten, welche regelmässig zum Beispiel zweimal die Woche drankommen für einen Verbandswechsel unter Narkose, oder welche „im Verlauf“ operiert werden (wenn zum Beispiel das gebrochene Körperteil endlich zufriedenstellend abgeschwollen ist), die man im Hinterkopf behalten muss.  Kurzum: Man erzählt dutzenden Patienten pro Tag das gleiche, füllt dutzende Male dieselben Formulare aus und rennt dafür auch noch durchs ganze Haus. Seufz.

Natürlich gibts auch kleine Zückerchen. Winzigkleine. Man darf für die Demenzklinik Lumbalpunktionen machen – Patienten in den Rücken stechen und kostbares Hirnwasser für Untersuchungen entnehmen. Das mach ich zum Beispiel wahnsinnig gern, kommt aber nur so einmal die Woche vor. Patienten, welche sich den Schenkelhals gebrochen haben, kriegen von uns eine Schmerzspritze in die Nähe der Hüfte mit einer dieser riesigen, dicken Nadeln. Naja. Alles mit Nadeln macht mir Spass. Solange sie nicht in meine Richtung zeigen.

Da wir vier Assistenzärzte sind, verteilen sich die Dienste in der Regel so, dass man einmal pro Monat eine solche Aussendienstwoche absolvieren muss. Am Samstag Mittag ist man dann einfach nur noch froh, wenn man wieder in den OP darf und was „Richtiges“ machen kann.

Buchempfehlung: House of God

Was klingt wie irgendwas Religiöses, ist tatsächlich eines der berühmtesten fiktiv-medizinischen Werke des 20. Jahrhunderts. Seit seiner Erscheinung wird das Buch, geschrieben von Samuel Shem, Medizinstudenten auf der ganzen Welt (oder so) zur Lektüre empfohlen. Die Serie „Scrubs“, eine meiner absoluten Lieblingsserien, bezieht sich immer wieder auf das Buch, und manche von Shem geprägten Begriffe schafften es bis ins ärztliche Standardvokabular.

Samuel Shem ist das Pseudonym eines US-Amerikanischen Psychiaters namens Stephen Bergman. 1978 veröffentlicht er ein bitterböses Satirewerk über das amerikanische Gesundheitssystem, welches gelinde gesagt wie eine Bombe einschlägt und von dem man sagt, dass es die Gesundheitsreform der 80erjahre (in den USA) mitgeprägt hat.

Das Buch handelt vom jungen Arzt Roy Bosch, der frisch ab Staatsexamen seine Arbeit auf der Inneren beginnt. Klug ist er, und gut ausgebildet, aber naiv und praxisunerprobt. Soweit kann sich so mancher frische Arzt mit ihm identifizieren. Entsprechend gilt das Buch als Pflichtlektüre für junge Ärzte: Es bringt einen zum Nachdenken, zum Überdenken von Strukturen – und auch ein bisschen zur Dankbarkeit, dass das System heute nicht mehr dasselbe ist.

Roy und seine jungen Kollegen sind täglich dem Stress des Systems ausgeliefert, schlafen und mogeln sich verzweifelt, überarbeitet und desillusioniert durch das Spital, kämpfen mit Depressionen und Burn-outs bis hin zum Suizid. Wenn man bedenkt, dass gemäss Studien bis zu 50% der Assistenz- und Oberärzte unter Burnout und Depression leiden und Ärzte generell überdurchschnittlich hohe Suizidraten aufweisen, ist dies durchaus noch eine aktuelle Thematik.

Roy’s Mentor ist ein Senior Resident, bei uns wäre das wohl ein Assistenzarzt im vierten oder fünften Jahr, der „Fat Man“ oder zu Deutsch „der Dicke“ genannt wird. Er bringt Roy die (von ihm selbst erstellten) Regeln des House of God bei, um dem jungen Arzt zu helfen, das Jahr zu überleben – etwas, das nicht allen gelingt. Viele dieser Regeln haben nach wie vor Gültigkeit und sind gute Leitlinien für die Praxis, sofern man sie mit einem gewissen Augenzwinkern betrachtet. Ich werde in Zukunft gelegentlich auf diese Regeln eingehen und darüber schreiben, wie ich sie in meinen Arbeitsalltag einbinde, sie verstehe und interpretiere. Deswegen auch diese Einleitung über das Buch, damit ich mich in Zukunft drauf beziehen kann.

Das Buch kann übrigens auch für medizinische Laien ein Vergnügen sein, sofern sie sich bewusst sind, dass es nicht komplett ernst zu nehmen ist, und nicht sowieso schon Angst vor Ärzten oder dem Spital haben 😉