Alltag im Spital: Hierarchiestufen

Das ist mal wieder ein Post für Fachfremde, da ich privat immer wieder Fragen dazu gestellt bekomme. Es geht um Titel und Stufen. (Der Einfachheit halber verwende ich hier die männliche Form, selbstverständlich sind aber auch Frauen angesprochen. Frauen machen heute gut zwei Drittel der Medizinstudenten aus.)

Unterassistent: auch Arzt in Ausbildung, Uhu (für UnterHUnd) oder cand med genannt, sind Studenten gegen Ende ihres Studiums. Sie machen Praktikas auf verschiedenen Abteilungen und dürfen in geschütztem Rahmen, sprich unter stufengerechter Aufsicht, Patienten untersuchen, betreuen und behandeln.

Assistenzarzt: auch „Arzt in Weiterbildung“, entgegen landläufiger Meinungen ein fertiger, richtiger Arzt, der sich noch nicht spezialisiert hat. Er arbeitet in Spitälern oder Praxen unter Supervision, mehr oder weniger, je nach Fähigkeiten und Erfahrung. Assistenzarzt bleibt man für mindestens 5 Jahre, sprich, er muss keineswegs unerfahren sein.

Oberarzt: Arzt mit Facharzttitel oder kurz vor Erlangen des Titels, aber mit etwas weniger Kompetenzen (und Aufgaben, z.B. administrative) als Kaderärzte.

Leitender Arzt: Gehört zum „Kader“. Er hat erweiterte Kompetenzen und Aufgaben, zum Beispiel Ausbildung der Assistenzärzte.

Chefarzt: Ist der Chef, punkt. In grösseren Spitälern Professor, in mittleren bis kleinen Spitälern PD,Dr. med. oder immer häufiger auch einfach med. pract.

Facharzt: Ein Arzt, der sich auf etwas spezialisiert hat und dafür 5-7 Jahre als Assistenzarzt gearbeitet und eine Prüfung abgelegt hat. Er trägt einen (oder mehrere) Titel der schweizerischen Ärztegesellschaft FMH. Ein Facharzt kann jeden der oberen Hierarchiestufen bekleiden – auch Assistenzarzt, wenn er noch einen zweiten oder dritten Titel macht.

Dr. med. : Ein Titel, der einem für das Einreichen einer Forschungsarbeit verliehen wird. Er entspricht dem Englischen M.D. Dabei gibt es extreme Unterschiede, wie viel Zeitaufwand für die jeweilige Doktorarbeit aufgewendet wird, viel davon hat mit Glück und Gelegenheit zu tun. Früher wurde die Doktorarbeit, auch Dissertation, während des Studiums begonnen, heute machen Schweizer Medizinstudenten eine Masterarbeit, welche als Zulassung ans Staatsexamen gilt. Die Dissertation kann man mit Glück darauf aufbauen und entsprechend gleich anschliessen. Aktuell gilt, dass eine Doktorarbeit frühestens ein Jahr nach Studienabschluss eingereicht werden kann. Der Titel ist nicht zu verwechseln mit einem Doktortitel anderer Fachrichtungen, z.B. Dr. rer. nat. (Englisch: PHD). Die Anforderungen zum Erlangen des Dr. med. sind innerhalb der Schweiz nicht einheitlich. Der Titel ist keine Voraussetzung, um Facharzt zu werden.

med. pract. : Der Titel, der einem Absolventen des Medizinstudium nach erfolgreichem Ablegen des Staatsexamens verliehen wird. Also einfach ein Arzt.

PD, KD: Privatdozent und klinischer Dozent. Erworben mit Einreichen mehrerer Publikationen. Mehr als ein Dr. med., aber weniger als ein Professor.

Professor: Hat ganz viel Forschung gemacht, und macht nun immer noch ganz viel Forschung (oder lässt sie in seinem Namen machen.) Ist in der universitären Lehre tätig.

Falls ihr noch weitere Unklarheiten und Begriffe habt: fragt drauflos 🙂

Disclaimer: Blogpost ist ausschliesslich für die Schweiz gültig. Ich habe absolut keinen Plan, wie das System in Nachbarländern funktioniert.

Doktor Google hat auch mal recht

Manchmal kommen Patienten bereits mit ihrer Diagnose. Häufig beginnen sie dann mit „Frau Doktor, ich glaube ich habe [Diagnose], ich habe im Internet gelesen, dass…“

Meist rolle ich dann innerlich mit den Augen und denke mir „Haha ja klar.“, aber immer mal wieder haben Patienten auch recht – eine jeweils grosse, positive Überraschung.

So wie der Herr, der auf den Notfall kommt mit „Ich glaube ich habe eine Lungenembolie.“ Eine Lungenembolie, sprich Gerinnsel in den Lungenarterien, ist selbst für erfahrene Mediziner manchmal schwierig zu erkennen, weil die Symptome sehr unspezifisch sind. Das heisst zum Beispiel: Schmerzen in der Brust, die in den linken Arm ausstrahlen, lassen jeden an einen Herzinfarkt denken. Für Lungenembolie gibt es kaum solche typischen Symptome.

Als ich dann die Anamnese, also das Gespräch mit dem Patienten geführt habe, hatte er doch ganz deutliche Hinweise. Ein geschwollenes und schmerzhaftes Bein seit einer Woche, Atemnot bei Anstrengung und seit heute auch in Ruhe, Herzklopfen. Wir machten sofort das CT. Und er hatte recht – das Gerinnsel war unglaublich riesig. Es reichte von der rechten Lungenhauptarterie in die linke. Sogar der Experte des Universitätsspitals hat gestaunt.

Verwundert hat kürzlich auch die in der achten Woche schwangere Patientin, welche mit starker Schwangerschaftsübelkeit auf den Notfall kam. Sie hatte seit Tagen kaum mehr gegessen oder getrunken und war schliesslich zuhause ohnmächtig geworden. Der gynäkologischen Kollegin erzählt sie: „Ich habe im Internet gelesen, dass man besonders viel Übelkeit hat, wenn man Zwillinge erwartet. Ich hab doch bestimmt Zwillinge!“, was der Kollegin erstmal ein müdes Lächeln entlockte – im Ultraschall rauschten dann aber tatsächlich zwei schnelle kleine Herztönchen. Wer hätte das gedacht?

Fazit: Häufig muss man mit selbstgestellten Diagnosen vorsichtig umgehen. Immer mal wieder wird man aber positiv überrascht.